Vor bald drei Jahrhunderten entwickelte sich eine Musikgattung, die in ihrer perfekten Form bis heute einzigartig und unübertroffen ist: Die Vereinigung von vier Streichinstrumenten zum Streichquartett.
Der Klang des Streichquartetts ist gleichzeitig intim und orchestral, sein Ausdruck sowohl solistisch als auch kammermusikalisch, seine Farbpalette homogen und individuell, seine Möglichkeiten flexibel und universal, sein Repertoire ohne Grenzen.
Die Faszination dieser Musizierform ist ungebrochen und noch heute wird jeder Komponist, der ein Werk für Streichquartett schreibt, dies mit dem Bewusstsein tun “etwas Besonderes” leisten zu müssen.
Als Musiker, die sich dem Streichquartett mit all seinen Konsequenzen verschrieben haben, leugnen wir nicht, dass das Gewicht seiner Tradition auch eine Belastung ist. Zu lange und reichhaltig ist die Geschichte seiner Komponisten und Interpreten, als dass ein unbedarftes Herangehen an dieses grosse, wunderbare und lebendige Erbe unserer Kultur möglich wäre. Vor allem aber ist sie eine Herausforderung, die auszufüllen ein ganzes Leben nie genügen kann.
Wir möchten uns nicht auf einen Teil dieses reichen Schatzes beschränken, sondern aus allen Bereichen schöpfen. Das Streichquartett ist ein Instrument. Es kann alles sagen und alles darstellen. Wir wollen Neues im Vertrauten entdecken und gleichzeitig ungehörtes Neuland für das Quartett betreten. Dieser Gattung mit seiner grossen Tradition und seinen universellen Möglichkeiten werden wir so am ehesten gerecht.
Wir interessieren uns nicht dafür, die besten Interpretationen des Kernrepertoires durch die bedeutenden Quartette der Vergangenheit und der Gegenwart zu wiederholen, zu kopieren oder gar zu übertreffen. Das für den Leistungssport taugliche Konzept des Wettbewerbs versagt vor der Kunst und das ist gut so. Die Basis unserer Arbeit ist der Notentext und die unmittelbare Inspiration die daraus hervorgeht. Das heisst nicht, dass wir keine Vorbilder hätten, oder dass wir nicht mit Begeisterung Lösungsansätze anderer als Anregung für das eigene Spiel verstehen würden. Unser eigenes Sprach- und Darstellungsvermögen, das einzig in der Lage ist, eine Unterscheidung von anderen Ensembles gleicher Art zu erlauben, kann, zum überwiegenden Teil, nur aus unserer eigenen Vorstellung von Musik entstehen.
Viele Werke geben ihre Geheimnisse nicht ohne weiteres preis. Oft erhellen erst biographische Details der Komponisten oder historische Zusammenhänge die offenen Fragen um die jeweils gewählte Sprache für ein Stück. Sind diese geklärt, werden wir Schauspielern gleich, die in Sprachen sprechen, die erst erkämpft werden müssen; und Archäologen, die die Facetten der überlieferten Kulturen zu einem sinnvollen, “authentischen” Ganzen zusammensetzen.
Trotzdem sind wir kein lebendiges Museum! Musik war zu allen Zeiten Ausdruck des gegenwärtigen Lebensgefühls, ein Brennpunkt der verschiedensten aktuellen gesellschaftlichen Strömungen. Nur weil sich der Globus immerfort dreht und sich die Menschheit technisch-“zivilisatorisch” atemberaubend weiter entwickelt hat, ändern sich die Fragen und Antworten zu den wichtigsten sozialen und emotionalen Themen nicht. Es kommen lediglich neue Interpretationen hinzu.
Erst die Auseinandersetzung mit der Geschichte ergibt ein vollständiges Bild unserer gegenwärtigen Zeit, weswegen die “Klassische” Musik aktuell, altersbeständig, spannend und erfüllend bleibt. Allen wirklich bedeutenden kulturellen Errungenschaften der Menschheit kann der Zahn der Zeit nichts von ihrer zeitlosen Bedeutung nehmen. Was hundert oder auch fünfhundert Jahre nach seiner Entstehung Geist und Herz der heutigen Menschen mit packenden Emotionen ergreift, kann dies und wird dies auch in einhundert oder eintausend Jahren noch tun. Verantwortlich dafür aber sind vor allem Künstler, die das Bewusstsein für den unschätzbaren Wert guter Musik lebendig halten.
Unser Publikum möchten wir nicht nur unterhalten, erfreuen, vom Alltag ablenken. Ein Konzert soll nachwirken, aufregen, begeistern und zum Widerspruch anregen, soll geistige Nahrung sein, die nicht bloss den Magen des Gemütes füllt, sondern Raum schafft für neue Gedanken, für Phantasie, Entwicklung des eigenen Horizonts. Dass die so elitär apostrophierte „Ernste Musik“ und, in unserem Fall, das Streichquartett auch Spass machen können, dafür wollen wir in jedem unserer Konzerte einstehen.